Steuerwettbewerb in Europa

"Eine EU-weite Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung ist erforderlich", so Finanzminister Hans Eichel. Diese Forderung verwundert auf Grund der dramatischen Einbrüche bei den Steuereinnahmen nicht. Darum wirbt die deutsche Seite hierfür intensiv auf dem europäischen Parkett. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, daß der Vorschlag des Bundesverbandes freier Tankstellen (bft) zur Ermäßigung der Mineralölsteuerpflicht für Grenzbewohner noch nicht auf größeres Interesse gestoßen ist. Dabei ließen sich mit einem solchen Modell zur Steuerharmonisierung in Grenzregionen, das mit dem europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar ist, Steuermehreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe erzielen.

Ermäßigung der Mineralölsteuerpflicht
In Italien wird bereits seit einigen Jahren den Bewohnern der grenznahen Regionen ein Teil der Mineralölsteuer zurückerstattet. Durch diese Maßnahme konnte der Tanktourismus in die Schweiz und nach Slowenien erheblich eingeschränkt werden.

Beim sogenannten italienischen Modell erhalten die Bewohner der Grenzregionen, die ein Fahrzeug angemeldet haben, eine Chipkarte. Auf Grund dieser Chipkarte ist es möglich, beim Tanken einen Teil der Mineralölsteuer zurückzuerstatten. Die Rückerstattung bemißt sich nach der Entfernung zwischen dem Wohnort und der Grenze. Es erfolgt eine Einteilung in bis zu 5 verschiedenen Zonen mit abgestimmten Steuererstattungen.

Laut Schätzungen der Mineralölwirtschaft würde der Aufbau eines Chipkartensystems Kosten im höheren zweistelligen Millionenbereich erfordern. Hinzu kämen jeweils ca. 400 Euro für die Ausstattung einer Tankstelle. Dafür sei aber auch mit erheblichen Steuermehreinnahmen zu rechnen. Falls 60 Prozent aller Autofahrer auf das Tanken im Ausland verzichten würden, sei pro Jahr mit mehreren hundert Millionen höheren Einnahmen aus der Mineralölsteuer und zusätzlich höheren Einnahmen aus der Mehrwertssteuer zu rechnen. Hinzu kämen jedoch weitere Einnahmen aus Verkauf anderer Waren der Tankstellenshops. Weitere Steuereinnahmen würden durch die bessere Konkurrenzfähigkeit deutscher Unternehmen im grenznahen Bereich entstehen, die dann mit den selben Kraftstoffkosten kalkulieren könnten, wie Unternehmen aus Ländern mit geringeren Mineralölsteuern

Europa- und Verfassungsrecht
Die Ermäßigung der Mineralölsteuerpflicht in Höhe der Mineralölsteuerdifferenz zugunsten der Grenzbewohner ist mit nationalem Verfassungsrecht und Europarecht vereinbar. Insbesondere die Energiesteuerrichtlinie steht dem nicht entgegen, weil die europäische Gemeinschaft keine Regelungskompetenz für das Steuerrecht hat. Des weiteren verstößt eine Ermäßigung der Mineralölsteuer nicht gegen das Beihilfeverbot (Art. 87 EGV), weil keine Finanzierung zu Lasten des Staates erfolgt. Das Gegenteil ist der Fall, der Staat erzielt Mehreinnahmen. Außerdem verstößt eine solche Regelung nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot im Europa- bzw. Verfassungsrecht. Es fehlt an vergleichbaren Tatbeständen. Die deutschen Bewohner der Grenzregion haben die Möglichkeit, über die Grenze zu fahren, um preisgünstiger zu tanken. Die Ausländer haben auch in Zukunft diese Möglichkeit und sie müssen hierfür keine weiten Strecken fahren. Die Deutschen, die nicht in den Grenzregionen leben, können auch jetzt ihren Kraftstoffbedarf nicht im Ausland erfüllen. Dieses geht aus einem aktuellen Gutachten zu dem Thema hervor.

Fazit
Ob eine europaweiter Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Um die Konkurrenzfähigkeit Europas gegenüber anderen Regionen zu gewährleisten, ist der Steuerwettbewerb erforderlich. Der Vorschlag zur Ermäßigung der Mineralölsteuerpflicht für Grenzbewohner fügt sich in den Steuerwettbewerb ein.