Ökosteuer - Faire Ausgestaltung der Ausnahmetatbestände?

Die AWM wurde vom Bundesverfassungsgericht gebeten, eine Stellungnahme zu den Auswirkungen der Ökosteuer für die mittelständische Dienstleistungswirtschaft abzugeben. Im Rahmen der Stellungnahme verwies die AWM auf die willkürlich festgelegten Belastungshöhen bzw. den daraus resultierenden Ausnahmetatbeständen bei den Gesetzen zur ökologischen Steuerreform. Nicht nur, daß die einzelnen Wirtschaftszweige unterschiedlich behandelt werden, und vor allem jene Unternehmen entlastet werden, deren negative ökologische Wirkung am höchsten einzustufen ist. Auch vergleichbare Tätigkeiten von verschiedenen Betrieben unterliegen einer unterschiedlichen Besteuerung.

So sind die Betriebe des Garten- und Landschaftsbaus im Sinne der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifizierung der Wirtschaftszweige als jene der Land- und Forstwirtschaft gekennzeichnet. Von daher sind sie - anders als Produktionsunternehmen - vom Erstattungs- bzw. Vergütungsverfahren bei der Mineralölsteuer gemäß §25a Mineral-ölStG ausgeschlossen. Außerdem sind sie vom Erstattungs- bzw. Vergütungsverfahren der auf Dieselkraftstoff entfallenden, um die Ökosteuer erhöhten, Mineralölsteuer gemäß §25a Mineralölsteuergesetz ausgeschlossen. Das führt insbesondere bei im grenznahen Bereich tätigen Garten- und Landschaftsbaubetrieben zu massiven Benachteiligungen gegenüber ausländischen Konkurrenten, die ihre Arbeitsmaschinen jenseits der Grenze betanken und daher diesseits der Grenze ihre Leistungen günstiger anbieten können. Die Diskriminierung von Dieselkraftstoff verstärkt diesen Effekt noch.

In diesem Bereich wie auch in anderen Wirtschaftszweigen lassen sich bisher ökosteuerspezifische Nachteile quantitativ nicht ausreichend verifizieren. Unbestritten ist jedoch, daß die Ökosteuer eine von vielen betrieblichen Belastungsquellen darstellt, die zwar nicht im einzelnen, jedoch in ihrer Gesamtheit vielfach überbordend sind, wobei dies am drastisch-sten in den aktuellen Insolvenzzahlen ihren Ausdruck findet.

Wie stark sich dabei die Ökosteuer als schweres wirtschaftliches Hemmnis erweist, zeigt die Entwicklung im Tankstellengewerbe – auch hier vor allem in den Randgebieten. So etwa im Grenzland zu Österreich. Die österreichische Mineralölindustrie geht für das Jahr 2002 aufgrund einer Mengenverlagerung des Verbrauchs von Betriebsstoffen von Deutschland nach Österreich aufgrund des Gesetzes zur Fortentwicklung der Ökologischen Steuerreform von Mehreinnahmen in der Größenordnung von 400 Millionen Euro aus. Der wirtschaftliche Schaden für die hiesigen Betriebe – Tankstellen und Zulieferbetriebe – ist dadurch immens. Allein im Tankstellengewerbe geht man von 2.000 Insolvenzen mit 20.000 Beschäftigten aus.

Da das wirtschaftliche Wachstum in der Bundesrepublik nach einer Studie der Universität zu Köln aus dem Jahr 1997 für den Zeitraum von 1950 bis 1990 zu mehr als der Hälfte auf den Einfluß der Verkehrssysteme zurückzuführen ist, muß das schwache wirtschaftliche Wachstum der letzten Jahre auch vor dem Hintergrund der Ökosteuer betrachtet werden. Ausländische Unternehmen werden durch die Ökosteuerbelastung abgeschreckt, in Deutschland zu investieren.

Ob die ökologische Steuerreform wirklich eine Lenkungswirkung entfaltet hat, sei dahingestellt. Angesichts der starken Preisschwankungen im Energiebereich, der Ausnahmen und der schon vorher sehr hohen Steuerbelastung von Kraftstoffen, fällt ein diesbezüglicher Nachweis schwer. Unbestritten ist das Versagen der Ökosteuer bei der Umgestaltung der Sozialversicherung. Nicht nur, daß sie nicht nachhaltig zur Senkung der Lohnnebenkosten beigetragen hat, vielmehr sind durch ihre Einführung die notwendigen strukturellen Reformen in der Sozialversicherung – insbesondere der Rentenversicherung – durch die vordergründige partielle finanzielle Entlastung lange verschleppt worden. Erst jetzt, da die Steuer- und Abgabenbelastung höher liegt als zum Zeitpunkt der Einführung der ökologischen Steuerreform, sind entsprechende Maßnahmen in der politischen Diskussion erkennbar.